Eine Tagung, die alle Teilnehmer in Bewegung bringt und auf die herkömmliche Abfolge von Vortrag und Diskussion verzichtet, ist eine anstrengende Zumutung. Doch wer das Neue erlebt hat, will es nicht mehr missen. Eine persönliche Nachlese von der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Wissenschaftliche Weiterbildung und Fernstudium 2013.
Herkömmliche Fachtagungen sind eine Plage. Die geladenen Experten halten langatmige PowerPoint-Vorträge oder lesen ihren nächsten Fachaufsatz vor. Das Publikum dämmert langsam weg, keinen stört’s. Das eigentliche Tagungsgeschehen findet ohnehin in den Kaffeepausen statt. In Rostock kam es in der letzten Septemberwoche 2013 ganz anders.
Unter dem Tagungsthema „Hochschule des lebenslangen Lernens – Mehrwert, Chancen und Erträge“ versammelten sich 200 Weiterbildungsexperten aus Hochschulen des deutschsprachigen Raums vom 25. bis 27. September 2013 an der Universität Rostock. Das Programmkomitee der Deutschen Gesellschaft für Wissenschaftliche Weiterbildung und Fernstudium DGWF hatte sich mutig für eine Neuerung entschieden. Statt der bekannten Abfolge von Vorträgen mit Diskussion sollten alle Veranstaltungsteile im interaktiven Format der „Fishbowl“ abgehalten werden.
Die Fishbowl (auch Aquarium) ist eine Methode für die Arbeit mit Großgruppen. Weiterbildner setzen sie öfter ein, an der Akademie für wissenschaftliche Weiterbildung in Heidelberg gehört sie zum Standardrepertoire. Das Aquarium lässt sich vielleicht am ehesten als demokratisierte Podiumsdiskussion beschreiben, in der die Schranke zwischen Experten und Publikum gefallen ist. Gerade für eine Fachtagung ist das ein passendes Format – schließlich sind dort (mit wenigen Ausnahmen) alle Experten.
In einer Podiumsdiskussion wären die Rollen klar verteilt. Im Aquarium bleiben dagegen immer Plätze frei, die von Teilnehmern aus dem Publikum eingenommen werden können, um mitzudiskutieren. Ein Moderator wacht darüber, dass das geregelte Rein und Raus nicht in Anarchie umkippt. So gesehen, ist die Bezeichnung „Aquarium“ ein wenig rätselhaft. Fische können nicht aus dem Goldfischglas raus, Menschen schon. Vor der Tagung verließ ein paar Beteiligte der Mut („So viele Teilnehmer. Und dann noch ein Hörsaal. Wollen wir nicht doch eine konventionelle Moderation?“). Zum Glück fanden sie ihn rechtzeitig wieder.
Denn Mut gehört dazu. Da das Format offen ist, können unvorhergesehene Dinge passieren. Deshalb müssen alle Beteiligte den Mut mitbringen, sich überraschen zu lassen. Da wir Menschen aber Überraschungen hassen, selbst wenn wir Wissenschaftler sind, ist das gar nicht ohne.
Der Moderator wird es mit Teilnehmern und Ideen zu tun bekommen, auf die er sich nicht vorbereiten konnte. Er muss den Mut aufbringen, zu improvisieren und den unvorhergesehenen Dingen Raum zu geben.
Was dabei entstehen kann, zeigt die Abbildung. Zu sehen sind Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren für Angebote wissenschaftlicher Weiterbildung. Beigetragen haben Claudia Koepernik, Offene Hochschule Zwickau, Stefanie Kretschmer und Joachim Stöter, Universität Oldenburg, Prof. Dr. Stefan Göbel und Jan Tauer, Universität Rostock, und Prof. Dr. Gabriele Vierzigmann, Hochschule für angewandte Wissenschaften München. Sie waren die Gäste im Forum „Management und Governance“, das der Autor moderierte. Gewissermaßen die ersten Goldfische.
Angebote wissenschaftlicher Weiterbildung müssen gut in der Hochschule verankert sein. Ob der beste Weg eine eigene Weiterbildungsfakultät, eine Professional School oder eine Akademie wäre, bleib offen. Aber dass sich Hochschulleitung, Dekane und Professoren die Weiterbildung neben Forschung und Lehre in den grundständigen Studiengängen als wichtige Aufgabe zu eigen machen müssen, darüber bestand Konsens. Dass rechtliche Rahmenbedingungen unklar, wenig passend und nicht sachgerecht seien, kam ebenfalls raus. Aber das steht auf einem anderen Blatt.
Mehr zur DGWF-Jahrestagung 2013: http://www.uni-rostock.de/weiterbildung/dgwf-jahrestagung-2013/