Es ist ein offenes Geheimnis unter Weiterbildungsanbietern: Zertifizierungen sind Unfug. Sie bürgen nicht verlässlich für Qualität, sondern erzeugen deren Schein. Dennoch ist es schwer, sich dem Zertifizierungs- und Akkreditierungskarussell zu widersetzen. Kunden und Geldgeber verlangen danach. Wie kommt man da raus? Letztlich durch die Pflege langfristiger Partnerschaften zwischen Auftraggeber und Weiterbildungsanbieter.
Zertifizierungen und andere Qualitätsnachweise seien im Weiterbildungsmarkt gescheitert, weil sie nicht das messen, was sie messen sollen. Die Qualität eines Trainers lasse sich durch formale Verfahren nicht feststellen. Diese Meinung vertritt die bekannte Trainervermittlerin Jutta Häuser im aktuellen Heft von Training aktuell (hier zum Beitrag, kostenfreie Anmeldung erforderlich). Sie hat gute Gründe.
Grund 1: Zertifizierungen gibt es wie Sand am Meer. Trainer zertifizieren andere Trainer, Verbände ihre Mitglieder. Ein allgemein anerkanntes Qualitätssiegel gibt es nicht. Die Vielzahl der Zertifikate, Zeugnisse und Siegel verwirrt den Kunden mehr, als dass er verlässlich den besten Weiterbildungsanbieter für seine Bedürfnisse fände.
Grund 2: Die Qualität eines Trainers erwächst aus Eigenschaften und Dingen, die sich einer formalen Begutachtung gerade entziehen. Persönlichkeit lasse sich nun einmal nicht zertifizieren, so Häuser. Selbst die Erfahrung eines Trainers ist nicht so einfach zu bewerten. Klar, die Zahl der Berufsjahre und der Kunden lässt sich zählen und belegen. Aber ob nun genau dieser Trainer für jenen Auftrag geeignet war, das wissen Auftraggeber und -nehmer zuverlässig erst hinterher.
Das hängt mit Grund 3 zusammen: Der Kontext beeinflusst die Leistung. Die Tagesform des Trainers prägt das Geschehen im Seminar ebenso wie die Tagesform der Teilnehmer. Ein Trainer mag in einer Weiterbildung mit Vertriebsleuten brillieren, bei Ingenieuren beißt er auf Granit. Viele kleine und große Rahmenbedingungen sind ständig im Fluss und machen jedes Seminar zu einem Unikat. Doch was sich nicht wiederholen lässt, lässt auch keine verlässlichen Aussagen über die Zukunft zu.
Warum also streben so viele Trainer, Akademien und Agenturen nach Zertifikaten? Weil Kunden es so wollen. Weiterbildung ist eine Dienstleistung, deren Wirkung sich nur schwer fassen lässt. Ob der Installateur das Waschbecken gerade an die Wand gedübelt hat, erkennt jeder Laie. Aber ob die Teilnehmer eines Seminars mit einem echten Plus an Know-how aus der Veranstaltung rausgehen, ist mit einfachen Mitteln kaum zu verifizieren. Das Zertifikat gibt dem Auftraggeber in dieser Situation das beruhigende Gefühl, alles für den Erfolg getan zu haben.
Nicht zu vergessen die öffentliche Hand. Landesparlamente treiben das Zertifizierungsgewerbe kräftig an. Wer aus Steuermitteln Zuschüsse zu Weiterbildungen auslobt oder mit Bildungsurlaubsgesetzen den Angestellten im jeweiligen Bundesland zusätzliche Ferientage beschert, will kein Mittelmaß fördern. Deshalb müssen sich Akademien den unterschiedlichsten Prozeduren unterziehen, um ihre Qualität darzulegen. Jedes Land hat da seine eigenen Regeln. Ob dadurch mehr Qualität entsteht, ist höchst zweifelhaft. Nur dass es Bürokratie schafft und die Kunden Geld kostet, weil sich die Weiterbildungsanbieter die Kosten zurückholen, ist gewiss.
Was tun? Eigentlich ist die Lösung ganz einfach. Auftraggeber und Auftragnehmer sollten langfristige Geschäftsbeziehungen anstreben. Wenn an die Stelle von formalen Nachweisen ein kontinuierlicher Austausch tritt, dann öffnet sich der Raum, um spezifische Bedürfnisse zu erkunden und passgenaue Lösungen zu erarbeiten. Auf mittlere Sicht entsteht das, was sich alle wünschen: Qualität.
P.S.: Wie in der Akademie für wissenschaftliche Weiterbildung an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg die Qualitätssicherung gehandhabt wird, steht hier.
Nachtrag am 31.1.14: Der Beitrag hat auf Xing eine lebhafte Debatte unter Weiterbildnern und Trainern ausgelöst. Mit einigen interessanten Argumenten und Vorschlägen wie zum Beispiel einem Pilottraining, um neue Anbieter auszuprobieren. Zur Debatte.