Viele Vorschriften zur Qualitätssicherung von Weiterbildungen sind kontraproduktiv und überflüssig. Warum? Das erkläre ich in einer aktuelle Kolumne in der Maiausgabe von Training aktuell, der führenden Trainerzeitschrift (hier lesen). Den etwas ausführlicheren Text gibt es in meinem Blog.
Neulich fühlte ich mich wie der Hauptmann von Köpenick. Der Autor Carl Zuckmayer (1896 – 1977) schickt in seinem gleichnamigen Roman den arbeitslosen Schuster Friedrich Wilhelm Voigt in eine bürokratische Endlosschleife. Voigt kann sich daraus nicht befreien. Als er nicht mehr weiter weiß, raubt er als falscher Hauptmann mit einem Trupp gutgläubiger Soldaten die Köpenicker Stadtkasse. Wer sich heute als Weiterbildungsanbieter im Interesse seiner Teilnehmer mit Bildungsgutscheinen und Bildungsurlaub beschäftigt, blickt in bürokratische Abgründe wie damals der Schuster Voigt.
Viele Bundesländer fördern die Weiterbildung ihrer Bürger. Im Prinzip ist das eine gute Idee. Es gibt Bildungsgutscheine, den Qualischeck oder Bildungsurlaub. Damit das Geld nicht bei halbseidenen Anbietern landet oder für Töpferkurse in der Toskana ausgegeben wird, haben sich die Ministerien Methoden der Qualitätssicherung ausgedacht. Das ist auf den ersten Blick nachvollziehbar. Da aber jedes Bundesland sein eigenes Regelwerk für die Anerkennung, Akkreditierung und Zertifizierung erlässt, muss ein deutschlandweit tätiger Weiterbildner Unsummen ausgeben und Qualitätsnachweise in vielen Stunden mühsam zusammentragen.
So haben Angestellte in Nordrhein-Westfalen (NRW) Anspruch auf bis zu fünf Tage zusätzlichen Urlaub, wenn sie an diesen Tagen eine Weiterbildung besuchen. Die Bildungsveranstaltung muss aber staatlich anerkannt sein. Für Akademien mit Sitz außerhalb des Bundeslandes ist die Bezirksregierung Detmold zuständig. Dort kann man sich in die Liste der anerkannten Anbieter aufnehmen lassen. Das ist kompliziert und teuer.
Was hat sich das NRW-Landesparlament dabei gedacht? Warum überlässt es der Gesetzgeber nicht Arbeitgebern und Arbeitnehmern, sich frei über Zeit, Ort und Inhalt eines Bildungsurlaubs zu verständigen? Die Gründe sind Kontrollwahn und Geiz. Behörden haben gern die Kontrolle. Lieber erlassen sie eine Regel zu viel als eine zu wenig. Schließlich macht ein Beamter nicht Karriere, wenn er Erfolge hat, sondern, wenn er Fehler vermeidet. Dass auf diese Weise erst recht Zeit und Geld vergeudet werden, ist nicht schlimm. Es trifft schließlich den Anbieter. Der holt sich die Kosten aber von seinen Kunden zurück. Mit anderen Worten: Bürokratie macht Weiterbildung teurer, als sie sein müsste.
Zweitens sollen nicht zu viele Leute Bildungsurlaub machen. Er kostet die öffentliche Verwaltung viel Geld, schließlich fahren auch Behördenmitarbeiter in die Bildungsferien. Besser, dem Füllhorn gleich eine Drosselklappe einzubauen. Dann sind auch die Arbeitgeber nicht so sauer. In Baden-Württemberg laufen sie gerade Sturm gegen die Pläne von Wirtschaftsminister Nils Schmid, ein Bildungsurlaubsgesetz zu erlassen. Man darf Schmid Standhaftigkeit wünschen. Aber hoffentlich nimmt er sich nicht NRW zum Vorbild.
Von den Verbänden der Weiterbildungsanbieter ist nur wenig Hilfe zu erwarten. Viele von ihnen vergeben eigene Qualitätssiegel und haben wenig Interesse, das Akkreditierungskarussell anzuhalten. Dabei ist es ein offenes Geheimnis unter Weiterbildungsanbietern, dass Zertifizierungen nur den Anschein von Qualität schaffen. Den Schuster Voigt gab es übrigens wirklich.