Das Ende der Kontrolle

Der Journalismus hat seine Torwächterfunktion verloren. Jeder ist ein Autor. PR-Manager sollten sich damit abfinden, das Bild der eigenen Firma in der Öffentlichkeit nicht länger steuern zu können. Um so wichtiger wird es, durch redliche Geschäftstätigkeit und eine auf Wahrhaftigkeit und Nachhaltigkeit ausgerichtete Kommunikationskultur jeder Art von skandalisierender Berichterstattung vorzubeugen.

Es gibt sie noch: Kommunikationsmanager der alten Schule. Sie versuchen mit aller Macht, das Bild der eigenen Institution in der Öffentlichkeit zu kontrollieren. Diese PR-Verantwortlichen erkennt man daran, dass sie missliebige Journalisten vom Presseverteiler streichen. Daran, dass sie Agenturen beauftragen, die den Kunden versprechen, Beiträge in den Medien zu „platzieren“. Daran, dass sie das von handzahmen Redakteuren zur Autorisierung vorgelegte Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden auch mal komplett umschreiben. Doch alle diese Versuche sind vergeblich. Das Internet hat uns alle zu Autoren gemacht. Die Journalisten haben ihre Türhüterfunktion über die veröffentlichte Meinung verloren. In dieser Situation gibt jeder Kommunikationsmanager, der die Kontrolle zu behalten versucht, ein peinliches Bild ab. Diese Kollegen ähneln einem Rothirsch in der Brunft. Dessen Job ist unglaublich anstrengend, das Verhalten sieht seltsam aus, und der Erfolg ist höchst ungewiss. So lautete meine These in einem Vortrag an der SRH Hochschule für Wirtschaft und Medien in Calw am 1. April 2015. Die Charts habe ich am Ende des Beitrags dokumentiert.

Der ADAC-Skandal des Jahres 2014 lieferte ein Lehrbeispiel für die Kardinalfehler der Public Relations. Zwei Tage vor der Verleihung des „Gelben Engels“ berichtete die Süddeutsche Zeitung über Manipulationen bei der Wahl des „Lieblingsautos der Deutschen“ (Beitrag im SZ-Archiv). Die Führungsetage des Clubs wies die Vorwürfe zunächst empört zurück. Bald stellten sich die Enthüllungen aber als wahr heraus. Viele Publikumsmedien stürzten sich mit Lust in die Recherche. Es folgte Bericht um Bericht über selbstherrliche Funktionäre und unsaubere Geschäfte. Am Ende lag die Reputation des Automobilclubs in Trümmern.

Selbst die geschickteste Krisenkommunikation hätte den Skandal nicht verhindert. Schließlich waren die Vorwürfe wahr. Es wäre aber möglicherweise gelungen – und der Autor ist sich des Problems kontrafaktischer Spekulationen bewusst -, dem Skandal die Spitze zu nehmen. Ein Rücktritt der Vereinsführung, externe Aufklärer, Demut und der ernsthafte Wille zur Umkehr hätten die völlige Zertrümmerung des öffentlichen Ansehens womöglich verhindern können. Doch dafür war es schon zu spät, als ADAC-Geschäftsführer Karl Obermair sich zwei Tage nach dem Bekanntwerden der ersten Vorwürfe zur Attacke entschloss. Denn dadurch kam zu den Verfehlungen noch eine Lüge hinzu. Eine Chronologie der Ereignisse findet sich hier: ADAC-Skandal2014-Handout (das Arbeitsblatt hat der Autor in Calw eingesetzt).

Eine alte Regel der PR hatte sich wieder einmal bestätigt: Die schlimmsten Fehler werden immer am Anfang gemacht. Die Zuhörer in Calw meinten denn auch, dass der ADAC durch das aggressive Leugnen das Feuer des Skandals erst richtig angefacht hatte. Das stimmt. Es gilt dennoch zu bedenken, wie leicht es ist, diese Fehler zu machen. Zu Beginn vermag sich noch keiner der Akteure so recht vorzustellen, welche gigantischen Ausmaße der Skandal annehmen könnte. Es gehört nur wenig Phantasie dazu, sich die Wut der Clubführung vorzustellen: Da kommen ein paar dahergelaufene Redakteure einer Tageszeitung daher, machen eine schöne Feier kaputt und versuchen, einem der mächtigsten Verbände des Landes ans Bein zu pinkeln. Doch gerade dann, wenn eine Institution über Jahrzehnte unangefochten war, käme es darauf an, diese ersten Impulse zu unterdrücken. Noch besser wäre es allerdings gewesen, wenn der Club durch ein sauberes Geschäftsgebaren gar nicht erst das Material des Skandals geliefert hätte. Vielleicht ist das die wichtigste Regel für zeitgemäße PR überhaupt in einer Zeit der Vielstimmigkeit: Nachhaltige Kommunikation bedeutet zuallererst Redlichkeit im Business.

Hier die Charts: Praesentation-Calw1.4.15