Ausflug ins Floskelland

Floskeln sind gefährlich. Es ist die Haupteigenschaft einer abgedroschenen Redewendung, dass jedermann sie sofort versteht. Sie werden daher gern gedankenlos benutzt. Überlegten wir mehr, kämen manche Formulierungen nicht über unsere Lippen. „Sich hinter jemanden stellen“ ist eine davon.

Besonders anfällig ist die Sportberichterstattung für stereotypen Sprachgebrauch. So titelt Spiegel online am 22.9.2014 „Bobic stellt sich hinter Trainer Veh“. Sportvorstand Fredi Bobic, so der Bericht, habe dem Trainer des Fußballbundesligisten VfB Stuttgart Armin Veh ungeachtet mäßiger Resultate eine Jobgarantie gegeben.

Veh sollte sich Sorgen machen. Echte Unterstützung sieht zumindest unter sprachlichen Gesichtspunkten anders aus. Da die Gefahr meist von vorne kommt, stellt sich ein mutiger Beschützer vor den Trainer. Wer dahinter steht, will eher einen Widerstrebenden an einen ungeliebten Ort vor sich her schieben. Besser für Veh wäre es, wenn Bobic ihm den Rücken hätte stärken wollen.

Wie schief die Floskel ist, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Im 18. Jahrhundert zogen Heere in fester Schlachtordnung ins Gefecht. Die Offiziere gingen hinter ihren Truppen – um die einfachen Soldaten am Weglaufen hindern zu können. Die einen fanden wenig Vergnügen daran, sich in fester Formation über den Haufen schießen zu lassen, der andere sollte sich Sorgen machen, was sein Sportvorstand im Rücken so treibt. Denn oft genug läuten Solidaritätsadressen im Fußball den Anfang vom Ende eines Trainerjobs ein.

P.S.: Wer die Zahl der Floskeln in diesem Text an den Autor übermittelt, der bekommt eine Verlinkung auf eine Webadresse eigener Wahl geschenkt.

Frank Stäudner

Ist Schwarz + Weiß = Schwarz?

Warum die Formulierung „erster schwarzer US-Präsident“ versteckt rassistisch ist.

Barack Obama sei der erste schwarze US-Präsident. Das war nach seiner Wahl 2008 oft zu lesen. Jetzt ist es wieder so. Die Internetrecherche liefert 550.000 Fundstellen. Darunter befinden sich bekannte Nachrichtenmagazine wie der Focus (siehe hier) oder angesehene Tageszeitungen wie die Süddeutsche (siehe hier).

Meiner bescheidenen Meinung zufolge ist die Formulierung „erster schwarzer US-Präsident“ im besten Fall gedankenlos, im schlimmsten Fall rassistisch. Denn Obama ist bekanntlich der Sohn einer weißen Mutter und eines schwarzen Vaters. Es mag mit alten Apartheidregeln im Einklang stehen, bei dieser Abstammung das Kind zum Schwarzen zu erklären. Ich verstehe allerdings nicht, wieso liberale Kolumnisten und Redakteure so reden und schreiben. Das Weiße Haus übrigens ist sich des Dilemmas bewusst. Im gesamten Onlineauftritt der US-amerikanischen Regierungszentrale ist keine einzige Formulierung zu finden, die auf Obamas Hautfarbe abhebt. Das erscheint mir vernünftig und konsequent. Denn angesichts der Herkunft könnte man Obama mit gleichem Recht als Schwarzen wie als Weißen bezeichnen.

Wer ihn dennoch zum Schwarzen macht, übernimmt einen Maßstab, der üblicherweise von Rassisten, Freunden der Rassentrennung und anderen Anhängern unapettitlicher Gesinnungen benutzt wird. So bleibt ein alter Appell des Musikers Garland Jeffreys aktuell:
Father of coal, mother of pearl
Never too black to blush to pick up a white girl
The color of you, the color of me
You can’t  judge a man by looking at the marquee
(aus „Hail Hail Rock ‚N‘ Roll“ vom Album „Don’t Call Me Buckwheat“).