Schafft die Noten ab!

Die Notenvergabe an der Hochschule vergiftet die Beziehung zwischen Studenten und Dozenten. Sie lenkt die Aufmerksamkeit der Lernenden auf die falschen Dinge. Sie korrumpiert die Lehrenden. Auch die Arbeitgeber orientieren sich an den Abschlussnoten und gehen dabei in die Irre.

Für Eilige: Eine Kurzfassung des Beitrags erschien als Gastkommentar im ZEIT-Chancen-Brief vom 4.2.2016. Hier weiterlesen.

Wer in den späten 80ern ein Physikstudium absolvierte, dessen Diplomprädikat setzte sich aus fünf Einzelnoten zusammen – vier mündlichen Prüfungen und einer Diplomarbeit. In der Nach-Bologna-Ära bringt der Absolvent eines Bachelorstudiums knapp 30 Prüfungen hinter sich, deren Resultate alle in die Gesamtnote einfließen. Das macht die Noten zum Dreh- und Angelpunkt im studentischen Leben. Von Beginn an sind Studierende auf die Prüfungsleistungen fixiert. Einige setzen sich dabei selbst fürchterlich unter Druck. Schon eine verpatzte Prüfung kann existenzielle Sorgen auslösen. Ein „Befriedigend“ im ersten Semester wird da schnell zum Vorboten späterer Arbeitslosigkeit.
Während des Kurses kreisen die Gedanken mehr um die Prüfung als um den gemeinsam bearbeiteten Stoff. „Ist das prüfungsrelevant?“ ist die wohl häufigste Frage, die Dozenten hören. Vorausgesetzt, in der Prüfung wird nicht nur Lehrbuchwissen abgefragt, sondern es werden Kompetenzen getestet, wäre die ehrliche (aber selten gegebene) Antwort: Alles ist prüfungsrelevant, auch das, was die Studierenden außerhalb der Präsenzveranstaltungen lernen, und möglicherweise sogar Dinge, die gar nichts mit dem Studium zu tun haben.
Es gäbe eine einfache Maßnahme, um für mehr Entspanntheit und zugleich Konzentration im Studium zu sorgen: Schafft die Noten ab. Wohlgemerkt: Schafft die Noten ab, nicht die Prüfungen. Selbstverständlich haben die Studierenden einen Anspruch darauf, eine ehrliche Rückmeldung zu ihrem Leistungsstand zu erhalten. Feedback ist für das Lernen unverzichtbar. Aber ein Beurteilungsgespräch zwischen Dozent und Student wäre dafür weitaus ergiebiger, als eine dürre Note ohne weitere Erläuterungen verpasst zu bekommen. Selbst dann, wenn es eine sehr gute ist.
Ohne Noten fiele der Anreiz zur Kumpanei weg, dem überarbeitete Professoren erliegen. Über 80 Prozent der Studierenden an deutschen Hochschulen erzielen stets gute bis sehr gute Noten. Und es werden immer mehr. Dem Wissenschaftsrat ist diese Noteninflation schon lange ein Dorn im Auge. Die Experten im Beratergremium der Bundesregierung glauben nicht, dass die Studenten immer besser werden. Treiber der Inflation ist vielmehr eine unausgesprochene Verabredung zwischen Dozent und Student nach dem Motto: Ich gebe dir eine gute Note, dafür lässt du mich bitte in Ruhe. Der Autor weiß aus vielen Jahren des Lehrens an Hochschulen, dass es Kraft kostet und die Redlichkeit strapaziert, der Versuchung zu widerstehen. Es wäre aber eine Menge gewonnen, wenn der Widerstand nicht nur aus der inneren Haltung des Hochschullehrers und seiner (oder ihrer) ethischen Grundüberzeugung heraus geleistet werden müsste. Wenn die Beurteilung der Studienleistungen von vornherein in Form von Feedbackgesprächen oder kleinen Gutachten erfolgt, ist das Problem der zu guten (und damit im Grunde unfairen) Benotung aus Faulheit einfach verschwunden.
Ich höre schon die Einwände: Was für ein Aufwand! Stimmt. Aber starke und schwache Studierende machen dann immerhin gleich viel Arbeit. Und clevere Dozenten werden die Beurteilung in die Lehrveranstaltung integrieren. Dann hält sich die Zusatzarbeit in Grenzen.
Zeugnis ohne Noten? Woran sollen sich die Arbeitgeber halten? Richtig ist, dass die Examensnote einmal im Berufsleben eine wichtige Rolle spielt, nämlich zu dessen Beginn. Später punkten Kandidaten in Bewerbungsverfahren mit nachgewiesenen beruflichen Erfolgen und im Job gezeigten Qualitäten. Doch die Examensnote ist nur eine Hilfsgröße. Unternehmen orientieren sich an ihr, weil die Bewerber noch wenig anderes vorzuweisen haben.
Anders herum wird deshalb ein Schuh draus: Wenn es keine Noten mehr gibt, werden andere Merkmale wichtig: die Dauer des Studiums, inner- und außeruniversitäres Engagement, Praktika. Das Plädoyer gegen Noten geht außerdem nicht so weit, Examenszeugnisse ohne Beurteilung auszustellen. Künftig gehört zum Zeugnis ein Kurzgutachten. Darin bündelt die Hochschule das Feedback, das die Studierenden über das ganze Studium hinweg erhalten haben.
Schon heute wird zum Zeugnis ein umfangreiches Diploma Supplement mitgeliefert, das die Studieninhalte und –umfänge detailliert auflistet. Künftig kommt ein Referenzschreiben hinzu, das über Kompetenzen und Fähigkeiten eines Absolventen Auskunft gibt und ähnlich aufgebaut wäre wie ein Arbeitszeugnis oder eines der Gutachten für Stiftungen und Begabtenförderwerke, die Dozenten ihren Studierenden schon heute dutzendfach ausstellen. Verwirklichungschance der Idee? Gering. Aber es tut gut, einmal darüber nachgedacht zu haben.

Was bedeutet Studieren neben dem Beruf?

Studium plus Arbeit ist schwierig, aber nicht unmöglich. Oft zahlt sich die Anstrengung aus.

Berufsbegleitend zu studieren bedeutet, zwei zeitraubende Tätigkeiten miteinander zu kombinieren. Österreichische Fachhochschulabsolventen gaben in einer Studie aus dem Jahr 2012 an, 60 Stunden pro Woche für Arbeit und Studium aufzuwenden. Ein Fünftel schuftete sogar 70 Stunden und mehr. Die Zahlen passen gut zu den Erhebungen über den Zeitbedarf eines Vollzeitstudiums. Nach einer Umfrage der Uni Konstanz widmet sich der deutsche Durchschnittsstudent an 32 Stunden in der Woche seinem Studium (Studierendensurvey 2014). Das bedeutet: Ein Studium neben dem Beruf stellt hohe Anforderungen an Motivation, Disziplin, Organisationstalent, Fleiß und Willen. Verlässliche Statistiken sind rar. Nach Angaben des Onlineportals studieren-berufsbegleitend.de stellten sich Jahr 2012 immerhin 133.000 Frauen und Männer der Herausforderung, eine Vollzeittätigkeit und ein Studium unter einen Hut zu bringen. Zwar ist es sehr anstrengend, berufsbegleitend zu studieren. Das Modell hat aber auch einige Vorteile.

Pluspunkte Zähigkeit, Willen und Organisationstalent

Absolventen punkten mit ihrem berufsbegleitend erworbenen Abschluss in Bewerbungen. Arbeitgeber sind davon sehr angetan. Denn der Kandidat oder die Kandidatin dokumentiert Zähigkeit, Entschlossenheit, Organisationstalent und viele weitere Kompetenzen, die Arbeitgeber schätzen. Zahlreiche Umfragen stützen diesen Punkt.

Meist wird das gewählte Fach einen Bezug zur aktuellen Berufstätigkeit aufweisen. Studierende können dann Studieninhalte direkt in der Praxis erproben und Anliegen und Herausforderungen aus dem Beruf ins Studium einbringen. Gerade an der SRH Hochschule Heidelberg eröffnet die moderne Didaktik nach dem CORE-Modell dafür viele Möglichkeiten. Mit anderen Worten: Berufstätige holen aus ihrem Studium das Maximum an Kompetenzerwerb heraus.

Maximaler Gewinn

Hochschulen wie die SRH Hochschule Heidelberg haben Studiengänge inzwischen so flexibel organisiert, Präsenzveranstaltungen auf den Abend und die Wochenenden gelegt, die Anerkennung berufspraktischer Kompetenzen großzügig geregelt und hochwertige Studiendokumente für Selbst- und E-Learning-Phasen geschaffen, dass das berufsbegleitende Studium nicht länger dauern muss als ein Vollzeitstudium. Das ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal. Denn die Abbruchquoten in Fernstudiengängen sind u.a. auch deshalb hoch, je nach Anbieter zwischen 30 und 70 Prozent, weil die Motivation über die lange Strecke von fünf bis sechs Jahren häufig leidet.

Dennoch gilt es Durststrecken zu durchstehen. Unterstützung ist wichtig. Wenn Familie, Freunde und vielleicht sogar der aktuelle Arbeitgeber die Studienwahl unterstützen, dann lassen sich Schwierigkeiten leichter überwinden. Einzelkämpfer dagegen habe es schwer.

Ein wenig Erleichterung schaffen die Bildungsurlaubs- und Bildungszeitgesetze. Immerhin 13 von 16 Bundesländern haben inzwischen (2015) für Arbeitnehmer die Möglichkeit geschaffen, fünf Tage Extra-Urlaub zu nehmen, wenn er für Weiterbildungen eingesetzt wird. Studierende an der SRH Hochschule Heidelberg profitieren davon. Kleines Bonbon: Das Finanzamt akzeptiert die Weiterbildungskosten in vollem Umfang als steuermindernd. Bei Gutverdienern kann das die Hälfte der Studiengebühren ausmachen.