Bahngeschichten: „Den Kaffee bitte mit normaler Milch“

Der Autor stellt Überlegungen über das Frühstücken im Zug an und zieht Parallelen zu einem bekannten Hollywoodfilm.

Jedes Mal, wenn ich im ICE-Speisewagen frühstücke (was gelegentlich vorkommt), fällt mir eine Szene aus dem Film „Harry und Sally“ ein. Das ist der Film mit Billy Christal und Meg Ryan, demzufolge Männer und Frauen keine Freunde sein können, „weil Ihnen immer der Sex dazwischen kommt“. Und der berühmt ist für eine Restaurantszene, in der ein gespielter Orgasmus vorkommt und die Hauptdarstellerin diverse Änderungswünsche an ihr Essen hat, insbesondere den, dass die Salatsoße „auf einem Extrateller“ serviert wird. Daran muss ich immer denken, wenn ich selber Änderungswünsche an meinem „Boulevard-Frühstück“ anmelde. Das ist erfreulicherweise möglich – und für mich immer wieder ein Beleg dafür, dass die Bahn doch recht kundenfreundlich geworden ist.

Das Boulevard-Frühstück besteht aus einem Riesenbrotkorb inklusive Croissant. Wurst und Käse, Honig Marmelade, Butter und Frischkäse. Noch nie habe ich alles aufessen können, und ich kenne auch niemanden, der es je geschafft hätte. Die Menge ist allerdings nicht mein Problem. Mir machen der Käse und die Kondensmilch zu schaffen. Beides mag ich überhaupt nicht. So sage ich: „Lassen Sie bitte den Käse weg, und meinen Kaffee hätte ich gern mit normaler Milch.“

Ich bekomme dann die Milch in einem kleinen Kännchen serviert statt der zwei Kondensmilchdöschen, die üblich sind. Das mag ich. Am Rande bemerkt: Ich habe nie verstanden, warum bei Tagungen, in der Bahn, bei Besprechungen zum Kaffee praktisch immer Kondensmilch oder Kaffeesahne serviert wird. Außer meiner Schwiegermutter kenne ich niemanden, der den Kaffee nicht viel lieber mit fettarmer H-Milch oder Frischmilch tränke. Also, liebe Bahn und alle anderen Kaffeeanbieter: Wir wollen den Kaffee mit normaler Milch trinken!

Wenn ich dann noch ganz viel Glück habe (das war heute früh nicht der Fall), ersetzt der Kellner den Käse durch eine Zusatzportion Wurst und Schinken. Und an einem perfekten Morgen ist der Croissant erst wenige Minuten zuvor an Bord gekommen und noch knusprig frisch (das war heute früh ebenfalls nicht der Fall). Aber das sind Kleinigkeiten. Frühstücken in der Bahn kann ich nur empfehlen.

 

@earl_piggot: Dein Wunsch nach mehr Bahngeschichten ist mir Befehl. Beim nächsten Mal nehme ich mir die Bahnnörgler vor.

 

 

Ein tückisches Wort

Sollen Schwerverbrecher schon nach fünf Jahren die Chance eines Hafturlaubs bekommen? Bayerns Landesregierung hat gestern klargestellt, dass sie derartige Hafterleichterungen eisern ablehnt. (siehe SZ vom 18.4.12). Zehn andere Bundesländer können sich dagegen für einen früheren Beginn der Resozialisierung erwärmen. Mir drängt sich der Eindruck auf: Viele Debattenbeiträge sind von einem gedanklichen Kurzschluß beherrscht, der mit erheblichen semantischen Unzulänglichkeiten des Begriffs „Hafturlaub“ zu tun hat.

Bayerns Staatskanzleichef Thomas Kreuzer (CSU) sagt es so: „Haft dient nicht nur der Resozialisierung, sondern auch der Sühne.“ Man sieht die Gedankenkette förmlich vor sich: schweres Verbrechen – Strafe muss sein – lange Haft – und dann kriegt so ein Mensch auch noch Urlaub – aber nicht mit uns! Doch so psychologisch verständlich eine derartige impulsive Ablehnung auch sein mag, es gilt ihr zu widerstehen.

Denn erstens ist es keineswegs ausgemacht, dass ein begleiteter Ausgang aus dem Gefängnis (das ist mit „Hafturlaub“ gemeint) überhaupt als Hafterleichterung durchgeht. Ehemalige Gefängnisinsassen wissen zu berichten, dass das Schlimmste an der Haft die völlige Unterwerfung unter die Regeln einer totalen Institution gewesen sei. Wann ein Häftling isst, was er isst, wann er Freigang im Hof bekommt, was er liest – all das bestimmen andere für ihn. Dieses Gefühl der Fremdbestimmung nun könnte durch eine Unterbrechung der fremdbestimmten Routine eher noch verstärkt werden. Ohne über eigene einschlägige Erfahrungen zu verfügen, finde ich, dass das eher eine Strafverschärfung darstellt.

Das zweite Argument betrifft eine mögliche Fluchtgefahr. Wer noch viele Jahre sitzen muss, türmt eher nach fünf Jahren als nach zehn. Mag sein. Doch den „Hafturlaub“ bekommt ja nicht jeder. Man darf davon ausgehen, dass Anstaltsleitung und Gutachter auf Nummer sicher gehen werden. Denn die sehr unangenehmen Fragen der Presse nach einer Flucht will ganz sicher niemand beantworten. Das dürfte als Sicherheitsschranke allemal ausreichen.

Bleibt die Frage, wie man die Debatte um die Resozialisierung von langjährigen Häftlingen nüchtern führen kann. Vermutlich muss man die Frage der Strafe abkoppeln von der Frage, was nach der Haft kommt. Klar, Strafe muss sein. Ebenso klar ist aber auch: Genauso wichtig wie die Wiederherstellung des Rechtsfriedens ist es zu verhindern, dass der Straftäter rückfällig wird. Wenn das aus der Sicht der Profis nötig macht, einen begleiteten Ausgang bereits nach fünf Jahren zu gestatten, dann sollten sich die Justizminister nicht wegen irgendeines populistischen Bauchgefühls dagegen sperren.

Und es wird nötig sein, den tückischen Begriff des „Hafturlaubs“ von seinen unseligen Konnotationen von Traumschiff, Strand und Ferienspaß zu befreien. Das geht nur mit einem neuen Begriff. Mir ist kein guter eingefallen. Ich freue mich also über Vorschläge.

Frank Stäudner

Philosophieren in Essen

In Essen-Steele findet sich alle zwei Wochen eine Schar von Laienphilosophen zusammen. Das Essener Cafe philosophique ist Deutschlands ältester philosophischer Salon dieser Art. Reinschauen lohnt!

Okay, ich gebs zu. Meinen Blog cafephilosophique.org zu nennen, bringt keinen Originalitätspreis ein. Als Ausgleich sei ein Terminhinweis gestattet: In Essen gibt es auch im echten Leben ein Cafe philosophique. Es ist das älteste seiner Art in Deutschland. Alle zwei Wochen treffen sich 30 bis 40 Leute, die zwei Stunden lang über ein philosophisches Problem reden wollen. Das Besondere: Die Teilnehmer bestimmen das Thema selbst. Jeder kann einen Vorschlag machen, dann wird abgestimmt. Philosophische Fachkenntnisse werden nicht vorausgesetzt. Der Eintritt ist frei.

Ort und Zeit:
Kulturforum Essen-Steele
Dreiringstraße 7
Sonntags, 11 – 13 Uhr, 14-täglich

Die Termine bis zur Sommerpause:
29.4.12
13.5.12
27.5.12*
10.6.12*
24.6.12

Beliebte Themen sind Fragen der Ethik und Moral. Und auch die philosophische Grundfrage schlechthin, wie jeder Mensch ein gutes und sinnvolles Leben führen kann, wurde schon gestellt. Nach einer verbreiteten Ansicht heißt Philosophieren bekanntlich Fragen. Und die wahren Philosophen haben sich das Staunen bewahrt, dass die Dinge so sind, wie sie sind. Und so kreisten die sontäglichen Diskussionen im Jahr 2011 beispielsweise um Fragen wie „Ist Tyrannenmord gerechtfertigt?“, „Macht Bildung glücklich?“, „Wie gehen wir mit Reue um?“ oder auch „Wie kann man mit der Einsamkeit im Ater leben, ohne daran zu zerbrechen?“

Ein dreiköpfiges Moderatorenteam wechselt sich in der Betreuung der Diskussionen ab. Die mit einem Sternchen versehenen Termine moderiert der Autor. Fragen zum Cafe gerne an mich oder den Leiter des gesellschaftswissenschaftlichen Fachbereichs der Volkshochschule Essen, Günter Hinken (Tel. 0201/8843200, Mail guenter.hinken@vhs.essen.de).

Frank Stäudner