Die ganz große Koalition der Bevormundung

Sollen Menschen Hilfe bekommen, die sterben wollen, aber sich nicht selbst töten können? Sollen sie vielleicht sogar einen Anspruch auf aktive Sterbehilfe haben? Kirchen, Prominente wie Franz Müntefering, Ärzteverbände und Parteien sagen Nein. Mich überzeugen die Argumente nicht. Ein Plädoyer für Autonomie und Freiheit am Lebensende.

Gegner aktiver Sterbehilfe führen typischerweise fünf Argumente für ihre Position an.

Argument 1: Menschen könnten sich gegen ihren Willen zum Sterben genötigt fühlen.

Müntefering und andere beschwören das Bild des alten Mütterchens herauf, das seinen Verwandten nicht länger zur Last fallen will und sich deshalb für den Freitod entschließt oder von diesen dazu gedrängt wird. Das Bild ist so eindrücklich, dass es leicht überdeckt, wie wackelig die Hypothese ist. Nötig wäre ein empirischer Beleg dafür, dass es das Mütterchen (und dessen ruchlose Verwandtschaft) überhaupt gibt. Dass die Zahl assistierter Freitode alter Menschen in Ländern wie den Niederlanden mit liberaler Sterbehilfepraxis nicht steigt, spricht dagegen.

Hinzu kommt, dass Autonomie und Freiheit des Einzelnen zu den wichtigsten Grundwerten unserer Gesellschaft gehören. Ein ganzes Erwachsenenleben lang treffen wir eigenverantwortlich Entscheidungen. Viele sind gut, andere dumm, manche für Dritte nicht nachvollziehbar. Wieso das am Lebensende und im Angesicht der letzten Fragen plötzlich anders sein soll, will mir nicht in den Kopf.

Wie wäre es, aktive Sterbehilfe zu gestatten, aber eine Beratungspflicht einzubauen? Das könnte die Sorge der Gegner lindern, dass sich jemand unter Zwang das Leben nehmen will. Die Regelung zur Abtreibung mit Fristenlösung und Schwangerenkonfliktberatung könnte als Vorbild dienen.

Argument 2: Die Palliativmedizin kann das Leid am Lebensende so weit lindern, dass Sterbehilfe nicht nötig ist.

Mag sein. Doch wäre es eine Bevormundung, die mit den Prinzipien unserer freiheitlichen Gesellschaft unvereinbar ist, Menschen das Recht auf den eigenen Tod zu verweigern. Der Schriftsteller Wolfgang Herrndorf (1965 – 2013) beschreibt in „Arbeit und Struktur“ sehr eindrücklich, wie befreiend für ihn das Wissen war, seinem Leben selbstbestimmt ein Ende setzen zu können.

Argument 3: Was, wenn der Todeswunsch einer Krankheit entspringt, die die Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigt?

Kranke müssen behandelt werden. Ansonsten gilt: Gesunde haben Aspruch auf Respekt vor ihren Entscheidungen.

Argument 4: Gott hat die Selbsttötung verboten. Also ist Sterbehilfe Sünde.

Deutschland ist im Prinzip ein laizistisches Land. Kirche und Staat sind getrennt (auch wenn das nicht überall sauber durchgehalten wird). Glaubensgemeinschaften dürfen Regeln für die eigenen Mitglieder erlassen. Sie haben aber keinen Anspruch darauf, andere zu bevormunden.

Argument 5: Es ist ein Unding, am Sterben anderer Menschen Geld zu verdienen.

Friedhofsgärtner, Steinmetze und Bestatter verdienen ihr Geld mit dem Tod. Das findet auch keiner anrüchig. Hinzu kommt: Ein Sterbehilfeverein gefährdet nicht die Jugend und beeinträchtigt Dritte nicht in ihrer Entfaltung. Es gibt aus meiner Sicht somit keine Gründe, die Gewerbefreiheit einzuschränken.

Argument 6: Auf A wie aktive Sterbehilfe folgt bald E wie Euthanasie.

Das ist kein Argument, sondern der Popanz eines Arguments. Das Argument rührt zwei Dinge zusammen, zwischen denen ein tiefer Graben liegt. Auf der einen Seite geht es um die Hilfe bei der Selbsttötung eines erwachsenen Menschen mit wachem Verstand, auf der anderen Seite um die Frage, ob der Staat oder irgendeine andere Instanz darüber bestimmen darf, Menschen zu töten, die sich selbst nicht artikulieren können. Zu behaupten, die meisten Menschen könnten nicht den Unterschied erkennen, beleidigt den Verstand.

Man kann Ersteres entschieden bejahen, und Letzteres ebenso entschieden ablehnen. So wie ich es tue.

Rausgeworfenes Geld

 Ein Plädoyer für sparsame Werbung für Weiterbildungsangebote

Weiterbildungsanbieter bewegen sich auf einem umkämpften und stark geschichteten Markt. Es findet sich immer ein Seminarveranstalter, der die vermeintlich selbe Sache billiger anbietet. Das Dozentenhonorar lässt sich hier noch ein wenig drücken, die Zahl der Kursteilnehmer da noch ein wenig erhöhen. Blöd nur, dass dann die Qualität des Angebots leidet. Die Preisspannen sind ohnehin riesig. Den Grundkurs Philosophie der Volkshochschule Heidelberg mit sechs Abendterminen gibt es für 40 Euro. Für den Besuch eines zweitägigen Wirtschaftskongresses, den prominente Redner zieren, werden schnell mal 2500 Euro fällig. Erschwerend kommt hinzu, dass Qualität und Preis keineswegs korrelieren müssen.

Das liegt unter anderem daran, dass die Werbung ein enormer Kostentreiber ist. Es gibt Weiterbildungsanbieter, die die Hälfte des Umsatzes für Anzeigen, Flyer und andere Werbemaßnahmen aufwenden. Nun nützt das schönste Weiterbildungsangebot nichts, wenn niemand davon erfährt. Dennoch ist aus meiner Sicht Zurückhaltung angebracht. Seriöse Weiterbildungsanbieter sind gut beraten, teuere Werbekampagnen und Anzeigen behutsam einzusetzen. Zwei Argumente sprechen dafür – ein  pragmatisches und ein ethisches.

Das pragmatische Argument. Anzeigenwerbung ist teuer und nutzlos. Von Marketingpionier John Wanamaker (1838 – 1922) stammt der berühmte Satz: „Half the money I spend on advertising is wasted; the trouble is I don’t know which half.“ Doch wenn die Hälfte des Werbebudgets rausgeschmissenes Geld ist, gibt es dann nicht kostengünstigere Wege? Die gibt es in der Tat. Die Pflege von Empfehlungsnetzwerken mit regelmäßigen elektronischen News wäre eine Option, um die wichtigsten Multiplikatoren, zufriedene Absolventen, zu gewinnen. Vor allem aber ist ein aussagekräftiger und aktueller Internetauftritt längst unverzichtbar. Der Verzicht auf zwei Anzeigen wiegt das Gehalt für den Webredakteur im Monat locker auf.

Ein Problem sei nicht verschwiegen: Internetinfos erreichen nur die Weiterbildungskunden, die schon wissen, wonach sie suchen. Um Kunden überhaupt erst auf den Geschmack oder die Idee zu bringen, bedarf es anderer Dinge. Klassische Werbung wird also weiter ein Mittel sein. Wenn sie doch nur nicht so teuer wäre!

Das ethische Argument. Einen maßgeblichen Teil des Umsatzes für Werbung auszugeben, benachteiligt die Kunden. Denn diese kommen letztlich mit ihren Seminargebühren für alle Unkosten auf. Sie bezahlen nicht nur den Trainer, den Ort und die Verwaltung, sondern – alles, also auch die Werbung. Doch während die Weiterbildungsteilnehmer von einem qualifizierten Dozenten und einem ansprechenden Lernort unmittelbar einen Nutzen haben, ist das bei den teuren Anzeigen nicht so.

Hier unterscheidet sich die Weiterbildungsbranche von anderen Wirtschaftszweigen wie etwa der Konsumgüterindustrie. Bei einem Limonadeproduzenten wie Coca-Cola wäre die Trennung von Herstellung, Vertrieb, Werbung künstlich und willkürlich. Alle Unternehmensteile sind für den Unternehmenserfolg nicht nur unverzichtbar. Die Werbung erzeugt in gewisser Weise überhaupt erst den Markt mit ihrem emotionalen Nutzenversprechen, den das Produkt dann befriedigt.

Weiterbildner verfügen im Unterschied dazu über ein Produkt („Bildung“), dass gemäß eines breiten gesellschaftlichen Konsenses als wertvoll und förderungswürdig gilt. Dieses Privileg gilt es zu pflegen. Es schadet nicht, wenn Akademien ihre Besonderheiten kultivieren. Gleichwohl wird der aufmerksame Leser auch 2014 gelegentlich eine Anzeige der Akademie für wissenschaftliche Weiterbildung entdecken. Und zwar diese:

Imageanzeige 2014