Corporate Publishing tut dem Journalismus gut

Staatliche Museen und Theater geben journalistisch gut gemachte Magazine und Hefte heraus. Sie bezahlen das aus öffentlichen Mitteln. Johann Schloemann kritisiert dieses „neue Staatsfeuilleton im subventionierten deutschen Kulturföderalismus“ (Süddeutsche Zeitung vom 15.5.2014, hier online: „Das neue Staatsfeuilleton“). Eine ähnliche Entwicklung ist schon seit Jahren im Wissenschaftsjournalismus zu beobachten. Darauf weisen @fischblog, @tre_bol und andere auf Twitter hin. Aber ist das ein Problem? Ich meine: nein.

Schloemann beschreibt eine auf den ersten Blick gute Entwicklung. Anspruchsvolle journalistische Darstellungsformen breiten sich aus dem Feuilleton in andere journalistische Themenfelder aus. Autoren und Künstler erhalten gut bezahlte Aufträge im Corporate-Publishing-Sektor. Dem bekannten Münchener Feuilletonredakteur aber behagt das nicht so recht:

„Es ist nicht leicht, das neue Staatsfeuilleton im subventionierten deutschen Kulturföderalismus als Problem zu benennen. Zu leicht gerät man in das Netz von Neid und Betriebsnähe, von dem hier eingangs die Rede war. Viele gute Kollegen, viele geschätzte Autoren beteiligen sich daran. Aber man sollte sich trotzdem fragen, was für eine öffentliche Sonderwelt da herangewachsen ist.

Die staatlichen Organe zahlen auch oft stattliche Honorare, was den schrumpfenden Honorartöpfen vieler Zeitungen ebenso zusetzt wie den kleineren Kulturzeitschriften. Manches am Staatsfeuilleton ist Volksbildung, anderes aber ist eher „Corporate Publishing“, nur dass die Firma hier der Staat ist und der Kunde sein Steuerzahler.“

Die Kritik ist zart formuliert und nur angedeutet. Zugespitzt lesen sich die Argumente etwa so:

1. Eigene Magazine herauszugeben gehört nicht zum Auftrag öffentlicher Kulturinstitutionen. Wenn sie es dennoch tun, vergeuden sie Steuergelder.

2. Die staatlichen Auftraggeber verderben die Preise. „Echter“ Journalismus hat es dadurch schwer.

Im Wissenschaftsjournalismus wird schon seit Jahren eine vergleichbare Qualitätsdebatte geführt. Große Wissenschaftsorganisationen, Wissenschaftsförderorgansationen wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft oder der Stifterverband geben viel Geld aus, um Themen aus der Wissenschaft anspruchsvoll journalistisch aufzubereiten. Der Autor dieser Zeilen hat das selber viele Jahre an verantwortlicher Stelle getan. Argument 1 trifft auch Leibniz-Gemeinschaft, Max-Planck-Gesellschaft und andere, bis hin zum Bundesforschungsministerium. In der älteren Debatte taucht häufig ein weiteres Argument auf:

3. Wissenschafts-PR ist interessengeleitet und von daher gar kein Journalismus. Wenn die Herausgeber dennoch so tun, als informierten sie objektiv über Themen aus Forschung und Wissenschaft, so führt das die Leser in die Irre. Das ist eine milde Form von Betrug.

Alle drei Argumente lassen sich leicht entkräften.

1. Werbung für die eigenen Produkte zu machen und die Kundenbindung zu pflegen gehört zur originären Aufgabe von Theatern und Museen. Zur Aufgabe von Wissenschaftsorgansationen gehört, die Öffentlichkeit über die eigene Arbeit zu informieren. Eine weitere wichtige Aufgabe ist es, die eigenen Interessen so zu vertreten, dass die Arbeitsfähigkeit gesichert bleibt. PR ist legitim, ein Magazin kann im Kommunikationsmix ein wichtiges Element sein.

2. Aus den Geschäftsführungsetagen des Journalismus gibt es immer wieder den Ruf nach direkten staatlichen Subventionen, um die Rolle der „vierten Gewalt“ für Rechtsstaat und Demokratie zu stärken. Vor diesem Hintergrund fände ich eine gewisse Entspanntheit gegenüber indirekten Subventionen ganz angebracht. Denn um nichts anderes als eine indirekte Subvention handelt es sich, wenn Autoren und Journalisten für PR-Aufträge angemessene Honorare erhalten. Diese Honorare ermöglichen es vielen meist freien Journalisten überhaupt erst, originär journalistische, aber schlecht bezahlte Aufträge anzunehmen.

3. Die Leser sind nicht dumm. Sie würden es merken, wenn ihnen tendenziöse Sichtweisen untergejubelt werden sollen. Und wo nicht, gibt es fähige Journalisten, die den Beeinflussungsversuch aufdeckten. Der Schaden an der Reputation wäre riesig und stünde in keinem Verhältnis zum schnellen Nutzen. Weil das so ist und die meisten Wissenschaftsorganisationen professionell arbeiten, passiert das nicht.

Ok. Vielleicht passiert es doch. Aber selten. Und die Frage, wie weit es mit der Objektivität und Unabhängigkeit des Journalismus überhaupt her ist – die steht auf einem anderen Blatt.

Bahngeschichte VIII: Profis schweigen

Bei jeder Zugfahrt kommt irgendwann der Moment, in dem Mitreisende über die Bahn schimpfen. Zu teuer, zu spät, zu unfreundlich. Wir Vielfahrer schweigen dann wissend. Denn wer so redet, gibt sich als jemand zu erkennen, der nur selten Bahn fährt.

Neulich musste ich mit dem Auto an einem Freitagnachmittag von Heidelberg nach Kassel fahren. 300 Kilometer, auf denen das Gesetz des Dschungels herrschte. Alle wollen schnell nach Hause, viele sind müde, die Stimmung ist aggressiv. Ich werde Zeuge von zwei Massenkarambolagen. In den Kasseler Bergen liegt ein BMW malerisch auf dem Dach. Dahinter staut sich der Verkehr auf 30 Kilometern. Es ist zum Glück die Gegenrichtung. Wie entspannt ist dagegen die Weiterfahrt von Kassel nach Berlin drei Tage später. Da sitze ich nämlich in einem ICE der Deutschen Bahn.

Im Speisewagen trinke ich Kaffee. Mit normaler Milch (vgl. Bahngeschichte 4). Draußen zieht Landschaft vorbei. In einer Stunde geht es über die Elbe. Vielleicht zeigen sich in Brandenburg sogar die seltenen Großtrappen.

Plötzlich geht es am Nebentisch los: „Fast hätten wir den Anschluss in Hannover nicht bekommen. Und es gab mal wieder keine Durchsage, dass der Zug falsch rum gereiht ist. Typisch. Da fährt man einmal im Jahr mit der Bahn. Und dann das.“ Jetzt bloß keinen Fehler machen. Ich könnte davon berichten, wie mich ein Schaffner vor 25 Jahren als Student mal sehr von oben herab behandelte. Oder von zwei Stunden zwischen Jena und Weimar, als sich ein Selbstmörder vor den Zug geworfen hatte. Oder von den ICEs mit fehleranfälliger Neigetechnik, die ab 2000 zwischen Frankfurt am Main und Dresden eingesetzt wurden und regelmäßig stundenlange Verspätungen einfuhren. Von ausgefallenen Klimaanlagen. Von unbenutzbaren Toiletten. Oder vom Stau auf der Schnellbahnstrecke Köln – Frankfurt-Flughafen. Doch das mache ich nicht. Denn verglichen mit den Erlebnissen auf deutschen Autobahnen sind das Kleinigkeiten. Und selten sind die unerfreulichen Erlebnisse noch dazu.* Ich beharre darauf: Das Reisen in großen Wagen mit Chauffeur ist sehr angenehm. Trotz der Beifahrer.

*Eine Einschränkung muss ich machen. Als der Bahnchef Mehdorn hieß und die Bahn sich an der Lufthansa orientierte, war Bahnfahren eine Zeitlang kein Vergnügen. Damals (2002) benannte die Bahn nicht nur die Züge nach dem Vorbild der Fluggesellschaft nach Städten um, sondern versuchte, aus dem Fahrplan noch die letzten Minuten herauszuquetschen. Als Folge gab es keine Zeitpuffer mehr, so klappten die Anschlüsse tatsächlich oft nicht. Inzwischen haben die Verantwortlichen aber erkannt, dass Bahnfahrer nicht möglichst schnell von A nach B kommen wollen, sondern besonders sicher, bequem und flexibel.